Wie nur wenige prägt Daniel Richter seit den neunziger Jahren die Malerei in Deutschland. Die Hamburger Kunsthalle zeigt ab dem 4. Mai 2007 eine große, retrospektiv angelegte Ausstellung über das Werk des 1962 geborenen Künstlers. In seinen großformatigen Ölgemälden verschränkt Richter kunsthistorische, massenmediale und popkulturelle Versatzstücke zu eigenwilligen, erzählerischen Bildwelten. Die Ausstellung gibt erstmals einen Überblick über zwölf Jahre malerischen Schaffens und entsteht in enger Zusammenarbeit mit dem Künstler. Sie versammelt über 50 großformatige Bilder und erstmals eine größere Auswahl aus den über 400 kleinen Formaten, die Richter als Ideenskizzen und Tagebuch gleichermaßen dienen.
Daniel Richter studierte bei Werner Büttner an der Hamburger Hochschule für bildende Künste und arbeitete als Assistent von Albert Oehlen. Zunächst entstanden abstrakte Gemälde, deren farbstarker, psychedelisch anmutender Formenkosmos sich zwischen Graffiti und verschlungenen Ornamenten bewegt. Dabei orientiert er sich gleichermaßen an Surrealismus und Underground sowie an den verschlungenen Grotesken des italienischen Manierismus.
Pünktlich zum Jahrtausendwechsel kam Richters persönliche „Wende“ vom abstrakten Geflecht zum menschlichen Körper. Seitdem arbeitet er ausschließlich figurativ. Großformatige figurenreiche Szenen, häufig durch Reproduktionen aus Zeitungen und Geschichtsbüchern angeregt, zeigen Kampf und Bedrohung in überschießender Vitalität. Richters Wechsel zum Figurativen wurde mehrfach als Wiedergeburt des Historienbildes gefeiert – allerdings eine Wiedergeburt unter veränderten Vorzeichen: Wo das Historienbild auf eindeutig lesbare Bilderzählungen setzte und auf das Ziel gerichtet war, Gegenwärtiges durch die Berufung auf Historisches zu legitimieren, handeln Richters Bilder vom Scheitern der Utopien der Moderne. „Mich hat interessiert, wie man Bezug nehmen kann auf die Welt und auf das Bild von der Welt, wie ich sie wahrnehmen oder beschreiben will“, erklärte er selbst seinen Wandel.
Die Themen seiner danach entstandenen Bilder sind etwa der gescheiterte kommunistische Aufstand in Hamburg-Barmbek von 1923 (Nerdon) oder die Flüchtlingsboote aus Nordafrika (Fatifa). Dabei zeichnen sich die Motive und Lesarten der Bilder Richters immer wieder durch eine große Ambivalenz aus. So zeigt etwa sein frühes figuratives Werk Phienox eine dramatisch aufgeladene Szene, in der ein Mensch mit der Hilfe anderer über eine hohe Mauer gehievt wird. Gemalt im Jahr 2000, als man nach zehn Jahren der Wiedervereinigung gedachte. Entstanden war das Bild aber nach einem Zeitungsfoto, das die Ereignisse um das terroristische Attentat auf die amerikanische Botschaft in Nairobi dokumentiert. Die meisten von Daniel Richters Werken sind solche Vexierbilder, die der Betrachter mit seinem Wissen und seinen Vorstellungen von Politik und Popkultur auffüllt.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Dietmar Dath, Christoph Heinrich und Kitty Scott im DuMont Verlag (248 S.)
Mit freundlicher Unterstützung von Ernst & Young