Blick in verborgene Welten

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Deutsche Zeichnungen von Dürer bis Chodowiecki

Unter dem Titel »Blick in verborgene Welten. Deutsche Zeichnungen von Dürer bis Chodowiecki« präsentiert die Hamburger Kunsthalle eine Auswahl aus den Beständen des Kupferstichkabinetts. Etwa 100 Zeichnungen aus dem Gesamtbestand von nahezu 1500 Blättern geben einen Überblick über die deutsche Zeichenkunst von etwa 1450 bis 1800.

Ein besonderer Schwerpunkt wird in der Ausstellung die Zeichnung der Dürerzeit sein. Den Zeichnungen von Dürer selbst, seinen Vorgängern und Zeitgenossen Schongauer, Holbein, Burgkmair und Baldung Grien verdankt das Kupferstichkabinett seinen internationalen Rang. Ihre Zeichnungen illustrieren auf einzigartige Weise den Übergang vom Mittelalter zur Renaissance in Deutschland. Auch die sog. Donauschule ist mit bedeutenden Werken von Altdorfer und Wolf Huber in der Ausstellung präsent. Die Zeit um 1600 ist mit der wohl weltweit bedeutendsten Gouache von Adam Elsheimer vertreten, aber auch im weiteren Verlauf des Jahrhunderts überraschen Werke von Nikolaus Knüpfer, Joseph Werner und nicht zuletzt von dem Hamburger Matthias Scheits. Im 18. Jahrhundert, einer Phase des Umbruchs, haben Künstler des Augsburger Barock wie Johann Georg Bergmüller oder Johann Wolfgang Baumgartner ein besonderes Gewicht im Bestand des Kupferstichkabinetts. In der zweiten Jahrhunderthälfte schließlich dominiert die Landschaftskunst mit seinerzeit berühmten Künstlern wie Jakob Philipp Hackert, Jakob Wilhelm Mechau oder Adrian Zingg, doch auch die in der Aufklärung rasch an Bedeutung zunehmende Buchillustration prägt den Bestand am Ende des 18. Jahrhunderts in besonderer Weise. Sie wird mit Werken von Künstlern wie Christian Bernhard Rode, Daniel Nikolaus Chodowiecki und dem auch zeitweise in Hamburg tätigen Johann Wilhelm Heinrich Tischbein in der Ausstellung vertreten sein.

Anlass für die Präsentation dieses bedeutenden Bestands ist der bevorstehende Abschluß einer umfassenden wissenschaftlichen Erforschung der deutschen Zeichnungen bis 1800 im Kupferstichkabinett, die seit knapp vier Jahren von der ZEIT-Stiftung Gerd und Ebelin Bucerius ermöglicht wird. Im Zuge dieses Forschungsprojekts ist der Bestand der deutschen Zeichnungen von Dr. Peter Prange, der auch die Ausstellung kuratiert hat, bearbeitet worden. Neben der vollständigen Erfassung der etwa 1500 Zeichnungen mit Technik, Maßen, Beschriftungen, Wasserzeichen usw. sowie der zugehörigen Literatur lag ein besonderer Schwerpunkt auf der Erforschung der Provenienz, die im besten Fall dazu befähigt, der Geschichte einer Sammlung oder eines Blattes nachzugehen. So lässt sich etwa das berühmteste Blatt unserer Sammlung – Dürers »Tod des Orpheus« von 1494 – seit dem Tod Dürers 1528 nahezu lückenlos zurückverfolgen, bevor es 1869 in den Besitz des Kupferstichkabinetts gelangte. Solche Forschungen erlauben aber auch ein Urteil darüber, wie gesammelt wurde, welche Sammlungsschwerpunkte die Sammler hatten oder was für sie an einer Zeichnung wichtig war – etwa der berühmte Künstlername oder das dargestellte Sujet.

Im Laufe des Forschungsprojekts ist der Gesamtbestand der deutschen Zeichnungen einer eingehenden Revision unterzogen worden, die vor allem die kunstwissenschaftliche Einordnung der Zeichnung in das Gesamtwerk des jeweiligen Künstlers betrifft. Diese Tätigkeit hat als ein Ergebnis viele neue Zu-, aber auch Abschreibungen zutage gefördert. So konnte erst jüngst ein Blatt mit dem selten dargestellten Thema »Artemisia am Sarkophag ihres verstorbenen Gemahls Mausolos«, das früher Adam Elsheimer zugeschrieben war und im Bestand des Kupferstichkabinetts unter den anonymen Meistern lag, vollkommen überzeugend dem aus Leipzig gebürtigen Nikolaus Knüpfer (ca. 1603-1655) zugeschrieben werden. Der danach hauptsächlich in den Niederlanden Tätige zählt zu den für die Entwicklung der Kunst des 17. Jahrhunderts wichtigen Künstlern, weil er als bedeutender Vermittler niederländischer Kunst nach Deutschland gilt.

Die Ergebnisse dieser intensiven Forschungen werden in einem zweibändigen Bestandskatalog zusammengefasst, dessen Publikation für Mitte 2006 vorgesehen ist. Bereits vorab sollen diese Forschungen nun in einer Auswahl in der Ausstellung im Kuppelsaal einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden.