Zur Herkunft von Max Beckmanns »Vor dem Maskenball«
Anlässlich des 5. Internationalen Tags der Provenienzforschung am 12. April 2023 geben Dr. Ute Haug und Dr. Nadine Bauer einen Einblick in ihr aktuelles Forschungsprojekt: Dieses ist ein Gemeinschaftsprojekt der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen und der Hamburger Kunsthalle und wird zudem gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg.
Die beiden Provenienzforscherinnen gehen der Geschichte des Probedrucks von Max Beckmanns Kaltnadelradierung »Vor dem Maskenball« nach, die 1998 in das Eigentum der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen gelangte. Die Forschungen konnten bereits einige neue Informationen zum Werk liefern. Einige Fragen sind jedoch noch offen.
Das Kunstwerk als erste Informationsquelle - Markierungen
Die Beschriftung »Glaser 235«, die in der rechten unteren Ecke auf dem Blatt zu finden ist, verweist auf eine Monographie von Curt Glaser, die im Jahr 1924 beim Verlag R. Piper & Co. in München erschienen war. Dieses Buch enthält ein Verzeichnis von Beckmanns Graphiken. Dort wird die Druckgraphik unter der Nr. 235 aufgeführt. Da sich der Nachlass von Piper im Literaturarchiv Marbach befindet, haben die beiden Forscherinnen dort nachgefragt. Der Hinweis, den die Marbacher Datenbank zutage gefördert hatte, bezog sich jedoch nicht auf die Druckgraphik in der Hamburger Kunsthalle, sondern auf das gleichnamige Gemälde Beckmanns mit der Werkverzeichnis-Nummer 216. Der Vorbesitzer dieses Gemäldes war Reinhard Piper. Diese Spur führt also zunächst ins Leere.
Inventare, Archive, Literatur und Ausstellungskataloge – Suche nach Erwähnungen
Eine weitere wichtige Quelle für die Forschung stellt das Inventarbuch des Kupferstichkabinetts dar, in dem beim Eintrag für dieses Blatt der Verweis auf die »Sammlung Günther Franke« zu finden ist. Dies legt nahe, dass der Probedruck zur privaten Sammlung des Kunsthändlers Günther Franke (1900-1976) aus München gehörte. Günther Franke vertrat als Kunsthändler u.a. Max Beckmann. 2017 erschien eine umfangreiche, von dem Kunsthistoriker Felix Billeter herausgegebene Publikation zum Kunsthändler Franke, die eine Liste mit Werken aus Frankes Privatsammlung enthielt. Dort ist nachzulesen, dass Franke seinen Abzug der Radierung 1952 für eine Ausstellung nach Freiburg verliehen hatte. Der Kunstverein Freiburg verfügt aber leider über keine Unterlagen mehr aus dieser Zeit, die Auskunft zur Leihgabe liefern könnten.
Dem Kunstmuseum Basel zufolge liegen Hinweise vor, dass Franke bereits 1930 Leihgeber der Radierung für eine Beckmann-Präsentation in Basel gewesen sein könnte. Im Ausstellungskatalog vom Kunsthaus Zürich – auch 1930 – wird ebenfalls eine Radierung mit dem Titel »Vor dem Maskenball« aufgeführt. Da Franke Beckmanns Kunsthändler war, erscheint ein direkter Übergang des Werks vom Künstler in die Sammlung seines Händlers denkbar. Dies konnte allerdings bisher nicht bestätigt werden. Falls diese Spur nicht weiterführt, werden die Provenienzforscherinnen den Geschichten der vier Abzüge von »Vor dem Maskenball« nachgehen, die im Beschlagnahmeinventar »Entartete Kunst« verzeichnet sind. 1937 wurden diese aus Museen in Berlin, Chemnitz, Dresden und München beschlagnahmt.
Suche nach dem richtigen Abzug
Bei »Vor dem Maskenball« handelt es sich um eine Druckgraphik, genauer um einen Probedruck. Von Druckgraphiken gibt es meist mehrere Abzüge. Über diese geben Werkverzeichnisse Orientierung. Im Werkverzeichnis von James Hofmaier, erschienen 1990, erhielt unsere Druckgraphik die Nummer 264 A. Leider wird dort keine weitere Auskunft zur erstellten Anzahl der Probedrucke vermittelt, aber angegeben, dass auch die Druckgraphik im Piper Verlag erschienen war. Es werden weitere Exemplare im Städel Museum in Frankfurt (ebenfalls mit der Nummer 235 beschriftet) und in verschiedenen Privatsammlungen sowie u.a. beim »Estate of Günther Franke« genannt. Angenommen Hofmaiers Angaben waren 1990 aktuell, dürfte mit jenem Exemplar unsere Radierung gemeint sein, die dann noch im Jahr 1990 zum Franke-Nachlass gehörte.
Suche nach weiteren Vorbesitzer*innen
1998 wurde die Radierung auf einer Versteigerung beim Hamburger Auktionshaus Hauswedell & Nolte von der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen erworben. Da sich die Akten des Auktionshauses heute im Zentralarchiv für deutsche und internationale Kunstmarktforschung (ZADIK) befinden, haben die Provenienzforscherinnen dort angefragt. Das ZADIK teilte mit, dass ein gewisser Joel Shapiro, Amsterdam, das Blatt 1998 zur Versteigerung bei Hauswedell & Nolte eingeliefert habe. Der Name durfte uns genannt werden, da die Person bereits verstorben war. Bisher gibt es jedoch keine näheren Erkenntnisse zu Joel Shapiro.
Es bleibt zu klären, ab welchem Zeitpunkt dieser Probedruck der Radierung »Vor dem Maskenball« zur privaten Sammlung des Kunsthändlers Günther Franke gehörte und wann er Frankes Sammlung wieder verlassen hat. Auch der Besitz und das Eigentum zwischen 1933 und 1945 sind somit bisher ungeklärt. Möglicherweise lässt sich über die ausstehende Durchsicht von Frankes Teilnachlass in der Bayerischen Staatsbibliothek in München ein weiterer Hinweis ermitteln.