Von Delacroix bis Gauguin

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Französische Druckgraphik des 19. Jahrhunderts aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle

Anlässlich der 2003 erfolgten, spektakulären Erwerbung von vier Farbholzschnitten Paul Gauguins aus der berühmten Folge »NOA NOA«, die uns die Campe’sche Historische Kunststiftung ermöglicht hat, zeigt das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle aus eigenem Bestand eine Auswahl französischer Druckgraphik des 19. Jahrhunderts.

Paul Gauguin nimmt eine herausragende Stellung in der französischen Kunst des 19. Jahrhunderts ein. Er verfasste nach der Rückkehr von seiner ersten Reise nach Tahiti (1891-93) einen umfangreichen Text mit dem Titel »NOA NOA«, beim Publikum für seine neuartigen Südseebilder werben wollte. Gauguins Bericht fasziniert noch heute durch seine authentische Einblicke in die ursprüngliche Lebensweise der Eingeborenen. Diese Erfahrungen und das Erlebnis der starken und leuchtenden Farben der Südsee hatten Gauguins Kunst neue Impulse gegeben. »NOA NO« sollte mit zehn farbigen Holzschnitten illustriert und in Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller und Kunstkritiker Charles Morice veröffentlicht werden. Das Buch kam zwar nicht zustande – das Manuskript des Künstler ist in Paris erhalten und wurde posthum auch ins Deutsche übersetzt –, doch die Holzschnitte wurden in einer sehr kleinen Auflage von höchstens 25 Exemplaren im Winter 1893/94 in Paris gedruckt. Der Künstler, der auf Tahiti die mythischen Quellen der Menschheit gesucht hatte, wandte sich intensiv der »primitiven Kunst« und ihren starken Ausdrucksmöglichkeiten zu. Die Holzschnitte der Folge »NOA NOA« drücken diese liebevolle Begeisterung des Künstlers in poetischer Weise aus. In der Ausstellung sind insgesamt fünf dieser kostbaren und sehr seltenen Drucke – ein Blatt konnte bereits 1993 mithilfe der Stiftung zur Förderung der Hamburgischen Kunstsammlungen angekauft werden – zusammen mit zwei weiteren, thematisch der Welt der Südsee entstammenden, druckgraphischen Werken Gauguins zu sehen.

Die Arbeiten Gauguins werden ergänzt durch Werke seiner direkten Zeitgenossen, aber auch durch herausragende Beispiele französischer Graphik früherer Jahrzehnte. Die präsentierten Lithographien, Radierungen und Holzschnitte bieten einen exemplarischen Überblick über die wichtigsten Kunstrichtungen der französischen Kunst von der Julirevolution 1830 bis in die Zeit der Belle Époque um die Jahrhundertwende: Romantik, Realismus, Impressionismus, Pointillismus und Symbolismus. In den Jahrzehnten nach 1860 entdeckten viele Künstler alte Drucktechniken neu und schufen dem damals möglichen Stilpluralismus der Zeit huldigend eine originelle und eigenständige Künstlergraphik. Diese Peintre-Graveurs (Maler-Radierer), die nach eigenen Entwürfen Graphiken schufen, wandten sich mit großem Engagement gegen die Übermacht der zeitgenössischen Photographie. Sie wollten zur allgemeinen Geschmacksbildung breiter Gesellschaftsschichten beitragen und popularisierten auf diese Weise Motive, die sie der modernen Welt entnahmen. Es gelangen ihnen dabei bravouröse, von technischem Raffinement geprägte Drucke, die oft das Aussehen von Aquarellen, Tusch-, Feder-, Kreide- und Bleistiftzeichnungen täuschend imitierten. Besonders folgenreich war dabei der unaufhaltsame Siegeszug des noch jungen Steindrucks, der Lithographie, die alle künstlerischen Bereiche durchdrang.

In der Ausstellung, mit der die Neuhängung der französischen Kunst in der Gemäldesammlung der Kunsthalle ergänzt wird, sind folgende Künstler vertreten: Eugène Delacroix, Paul Gavarni, Honoré Daumier, Félix Bracquemond, Édouard Manet, Camille Corot, Jean François Millet, Camille Pissarro, Jules Jacquemart, James Tissot, Alexandre Lunois, Edgar Degas, Paul Cézanne, Suzanne Valadon, Henri de Toulouse-Lautrec, Félicien Rops, Maurice Denis, Édouard Vuillard, Pierre Bonnard und im Studiensaal des Kupferstichkabinetts wird eine großformatige Farblithographie von Auguste Renoir präsentiert.