Vija Celmins (*1938 Riga) und Gerhard Richter (*1932 Dresden) zählen zu den international renommiertesten Künstler*innen ihrer Generation. Eine große Doppelschau in der Hamburger Kunsthalle bringt die beiden erstmalig zusammen und macht überraschende Verbindungen sichtbar. Neben der thematischen Nähe, der künstlerischen Arbeit mit fotografischen Vorlagen und der besonderen Bedeutung der Farbe Grau ist es die Frage nach den elementaren Bedingungen des Darstellens, die Celmins und Richter beschäftigt. Was ist Realität, was ist Repräsentation? Und wie kann die Wahrnehmung, das Sehens selbst, sichtbar gemacht werden?
Seit über sechs Jahrzehnten bringen die in New York lebende Künstlerin Vija Celmins und der in Köln lebende Gerhard Richter mit großer Meisterschaft und Intensität ein beeindruckendes künstlerisches Œuvre hervor, ohne sich je einer Künstlergruppe oder Stilrichtung angeschlossen zu haben. Es ist wohl diese Eigenständigkeit, die dazu führte, dass sowohl Celmins als auch Richter bislang fast ausschließlich in monographischen Ausstellungen präsentiert wurden. Mit der Ausstellung »Vija Celmins | Gerhard Richter. Double Vision« bietet die Hamburger Kunsthalle erstmal eine neue, erweiterte Lesart an und setzt auf einen spannungsreichen, transatlantischen Dialog, der verblüffende Parallelen und Gemeinsamkeiten in dem Werk beider Künstler*innen erkennbar werden lässt. Es ist die erste Begegnung und die erste gemeinsame Ausstellung der beiden, in ihrem Heimatland jeweils hoch geschätzten Künstler*innen. Vija Celmins‘ beeindruckende Gemälde und Zeichnungen sind in Europa selten zu sehen und so möchte die Hamburger Kunsthalle auch dazu beitragen, ihrem Werk zu einer größeren Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu verhelfen. Mit einer starken, weiblichen Position als Dialogpartnerin öffnet sich die Möglichkeit, das oft als singulär vorgestellte Werk Gerhard Richters mit einem frischen Blick neu zu befragen und zu entdecken.
Die Ausstellung umfasst ca. 70 Gemälde, Zeichnungen, Druckgraphiken und Objekte und findet im zweiten Obergeschoss der Galerie der Gegenwart statt. Die Dramaturgie der Doppelschau führt von einer frühen künstlerischen Beschäftigung mit Alltagsgegenständen über die Auseinandersetzung mit Krieg und Migration (in den so genannten »disaster«-Arbeiten) hin zu kunstphilosophisch-reflektierenden Werken (»in response to Duchamp«). Zu entdecken sind die faszinierend realitätsnahen Seestücke und die Erforschung der Farbe Grau im Werk beider Künstler*innen, sowie eine große Bandbreite an Spiegelungen und Doppelungen, welche Fragen rund um die Wirklichkeit des Bildes aufgreifen. In einem direkten Gespräch der Bilder von Celmins und Richter, wird ein vergleichendes Sehen möglich; in kleinen eingeschobenen Kapiteln werden besondere Aspekte ihres Schaffens vertieft.
Im Lichthof der Galerie der Gegenwart bietet eine eigens für die Ausstellung eingerichtete Bilderwerkstatt die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden: Beobachtungs- und Zeichenimpulse an einem Vermittlungstisch führen an die künstlerischen Arbeitsweisen von Vija Celmins und Gerhard Richter heran und können selbst erprobt werden – mit Bleistift auf Papier oder mit einem digitalen Zeichenprogramm auf einem iPad. Jeden 3. Sonntag im Monat wird die Bilderwerkstatt als »Offenes Atelier« von zwei Kunstvermittler*innen angeleitet, die Kindern und ihren Begleitpersonen Impulse geben und künstlerische Techniken zeigen.
Begleitend zur Ausstellung steht in der App der Hamburger Kunsthalle eine rund 40-minütige Audiotour für Erwachsene in deutscher und englischer Sprache sowie Leichter Sprache (deutsch) bereit (gratis zum Download bzw. für 4 Euro mit Leihgerät).