Schon früh beschloss Odilon Redon (1840-1914) die Regeln der akademischen Malerei hinter sich zu lassen, um andere Ausdrucksweisen zu erproben. Sein Lehrer Rodolphe Bresdin (1822-1885) sollte ihm dabei helfen: Er führte ihn in eine Welt ein, die sich zwar an den äußeren Erscheinungen der Natur orientierte, doch hinter dieser eine geheimnisvolle Wahrheit erahnen ließ. So schufen beide eine phantasmagorische Welt bevölkert von Traumgesichten und Visionen, Monstren und Zwitterwesen. Erotische und mystische Visionen tauchen aus dem Unterbewussten in den Bildern der beiden Künstler auf.
Obwohl Bresdin und Redon die Natur im Vergleich zur Stadt als einen beruhigenden Ort empfunden haben, erscheint diese in den Werken beider Künstler von Unsicherheit geprägt. Hier treten – verschlüsselt und in geheimnisvollen Stimmungen dargestellt - die Ängste des modernen Lebens auf. Die Bewohner dieser Welt wirken verloren, mystisch, kriegerisch und manchmal sogar unberührbar – doch nie sind sie ein stabiles Element in diesem unheimlichen Universum.
Zwischen 1864 und 1866 unterhielten sich die beiden Männer in Bordeaux jeden Tag über Kunst und arbeiteten gemeinsam an Lithographien und Radierungen – so entstanden die »Noirs«, die schwarzen Bilder, von denen diese Ausstellung einige zeigt. Auf diesen Blättern erscheinen Gestalten und Formen aus Licht und Dunkel - bei Bresdin sind sie gefangen in einem fein gesponnenen Netz, bei Redon halten sie in träumerischer Unbestimmtheit inne. Beide Künstler eröffneten in diesen Jahren der Druckgraphik unentdeckte Möglichkeiten und wurden so zu Wegbereitern der Moderne.