Der Schweizer Künstler Roman Signer arbeitet mit der Zeit wie mit einem Werkstoff. Durch sie schafft er so genannte Ereignisse: Skulpturen, die sich mit der Zeit und durch die Zeit verändern. Viele von ihnen wurden mit der Kamera dokumentiert oder für die Kamera geschaffen. In seinen Projektionen von Filmen und Videos zeigt Signer ein Kernthema seines Werks: den Umgang mit Material und Zeit im bewegten Bild. In Zusammenarbeit mit dem Helmhaus Zürich zeigt die Hamburger Kunsthalle eine Auswahl von 33 filmischen Arbeiten aus den Jahren von 1975 bis 2008.
Signer setzt die von ihm Ereignisse genannten Skulpturen mit und gegen die Schwerkraft in Szene. Die Orte ihrer Entstehung sind nicht festgelegt: Es können Innenräume sein oder Landschaften wie ein Flusslauf, ein Berg, ein Wald, ein Vulkan, eine Schranke zum Parkplatz oder auch ein alter Industrieschlot. Das bildhauerische Auge des Künstlers verbindet sie zu einer ebenso einfachen wie ausdrucksstarken Form, die das Kamerabild festhält. Oft handelt Signer selbst mit konkreten Gegenständen. Er bringt sie in Bewegung und findet starke poetische Bildideen für seine skulpturalen Entwürfe und technischen Konstruktionen. Berühmt wurde Signer durch Arbeiten mit Sprengstoff. Mit ihm setzt er die Trägheit der Dinge für kurze Momente außer Kraft: Stühle lernen fliegen, aus Gummistiefeln schießt Wasser empor oder ein Band zieht meditativ an einer Rakete eine lange Linie durch den blauen Himmel. Charakteristisch für Signers über dreißigjährige Bildhauergeschichte ist auch, dass immer wieder bestimmte Fortbewegungsmittel auftauchen: das Fahrrad, das Kajakboot, der Modellhubschrauber. Es sind diese Gegenstände, die er wie Skulpturen auffasst und zugleich funktional einsetzt.
Neben den spektakulären Wirkungen haben seine Arbeiten ebenso humorvolle wie in sich ruhende und stille Seiten. Zum Ereignis gehören dessen Vorbereitung und das Warten auf den entscheidenden Moment mit dem Wunsch, es zu verstehen. Solche Ereignisse sind für ihre Betrachtung entwickelt worden. Man begreift intuitiv und im Lachen, mit der körperlichen Erfahrung des Intellekts. Phänomene der Bewegung und physikalische Naturkräfte wie Schwerkraft, Wasser, Wind, Strömungen oder Licht werden sinnlich erfahrbar veranschaulicht. Signer erfindet mit Objekten und Zuständen mitunter tragikomische Bilder für elementare menschliche Gefühle wie Leiden, Unschuld, Ungerechtigkeit, Erschrecken oder Staunen.
Roman Signer (1938 in Appenzell geboren; lebt in St. Gallen) hat ein umfangreiches Werk aus bildhauerischen Arbeiten, Skulpturen, Fotografien und Zeichnungen geschaffen. Neben Arbeiten im öffentlichen Raum hat Signer unzählige Ausstellungen eingerichtet, u. a. 1981 im Kunsthaus Zürich, 1988 in der Kunsthalle St. Gallen, 1993/94 im Kunstmuseum St. Gallen, 1999 an der Biennale Venedig, 2000/01 im Bonnefantenmuseum in Maastricht, 2003 in der Sammlung Hauser & Wirth in St. Gallen, 2005 im O.K. Centrum für Gegenwartskunst in Linz, 2006 im Centro Galego de Arte Contemporánea in Santiago de Compostela, 2007/08 in der Fruitmarket Gallery in Edinburgh und 2008 im Rochester Art Center.
Die jüngeren Videoarbeiten sind in Zusammenarbeit mit Aufdi Aufdermauer entstanden. Die 33 in der Hamburger Kunsthalle gezeigten Projektionen werden im Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart in eigens dafür eingerichteten Räumen präsentiert. Dazu gesellen sich zwei Monitorinstallationen, ein Objekt und eine Aktion sowie eine bewegliche Installation im Lichthof der Galerie der Gegenwart. Der Ausstellungstitel Projektionen steht für den visionären Entwurfscharakter der Arbeiten.
Der Katalog Roman Signer: Projektionen – Super-8-Filme und Videos 1975-2008 ist in den Verlagen Scheidegger & Spiess, Zürich (deutsche Ausgabe) und Steidl, Göttingen (englische Ausgabe) erschienen. Er ist als Werkverzeichnis sämtlicher Super-8-Filme und Videos von Signer angelegt und präsentiert Standbilder zu allen Werken. Der Katalog ist für 65 Euro erhältlich im Museumsshop.
Mit freundlicher Unterstützung durch: Ernst & Young und Pro Helvetia