»Ich bin ein Künstler der Emotion und der Reflexion. Ich meine weder die Sentimentalität noch das grundsätzlich Emotionale, sondern den Schock einer Emotion, welcher die Reaktion gleichsam auslöst. Allein die Reflexion schafft Raum.«
Philippe Vandenberg 2008
Die Hamburger Kunsthalle zeigt mit ca. 80 Bildern sowie über 120 Zeichnungen und Druckgraphiken die bisher größte Werkschau von Philippe Vandenberg (1952–2009) und zugleich erstmalig eine Einzelausstellung des flämischen Künstlers in einem deutschen Museum. In seinem Heimatland Belgien sehr geschätzt, gilt es das radikale und schonungslose Œuvre Vandenbergs international zu entdecken. Jenseits eines einzelnen künstlerischen »Stils« schuf Vandenberg vielschichtige Bilder unserer Zeit, die gleichermaßen von aktueller Relevanz und von existentieller Dimension sind.
Der Ausstellungstitel Kamikaze (dt. göttlicher Wind) ist ein Begriff, den wir im Zusammenhang mit einer japanischen Luftangriffstechnik im Zweiten Weltkrieg oder im übertragenen Sinne auch als Beschreibung von selbstschadenden Handlungen kennen. Philippe Vandenberg jedoch erhob ihn zu seinem zentralen künstlerischen Prinzip. Kamikaze bedeutete für ihn eine Form der kreativen Zerstörung, also ein Ermöglichen des Neuen auf der Grundlage der Überwindung des Alten. Radikale Richtungswechsel und eine Beweglichkeit des Denkens werden so zu Voraussetzungen von Kamikaze als Geisteshaltung. Oder, wie es der Künstler selbst formulierte: »Man muss beweglich bleiben, absolut beweglich!«
Zu entdecken ist ein höchst diverses und vielschichtiges malerisches und zeichnerisches Werk: Figurative Bildfindungen werden von geometrisch-abstrakten Übermalungen abgelöst und vice versa, monochrome und narrative Werke haben gleichermaßen Gültigkeit. Literatur und Kunstgeschichte, Mythen und Sagen, aber auch das aktuelle Weltgeschehen finden Eingang in Vandenbergs Kunst. In den letzten Lebensjahren des Künstlers entstehen Bilder großer Intensität, die sich mit Worten und Satzfragmenten beschäftigen. Immer sind es die conditio humana und die großen Themen des menschlichen Lebens wie Erinnerung und Vergessen, Hass und Gewalt, Lieblosigkeit und Hetze wie auch zwischenmenschliche Nähe und Teilhabe, die sein Werk durchziehen. Anregend, verstörend, berührend lädt sein Werk zur Entdeckung und zur Reflexion ein.
Mit »Philippe Vandenberg. Kamikaze« setzt die Kunsthalle ihre Reihe monographischer Ausstellungen (wie zuletzt zu Eva Hesse und Gego, 2013/14 und zu Geta Brătescu, 2016) fort, mit der sie das Werk bisher in Deutschland weniger beachteter zeitgenössischer Künstlerpersönlichkeiten vorstellt.
Die Ausstellung wird von einer umfangreichen Publikation (dt./engl./franz.) begleitet, hrsg. von Brigitte Kölle und Felicity Lunn, mit Texten von Harald Falckenberg, Josephine Karg, Brigitte Kölle, Felicity Lunn, Johannes Muselaers und Marek Wieczoreck. Ca. 100 Abbildungen, 272 Seiten, Hardcover. Uitgeverij Kannibaal Verlag, Belgien, 2018
In der Ausstellung ist erstmalig ein eigens dafür produzierter Film »L’important c’est le kamikaze« (2018) der Filmemacher Guillaume Vandenberghe (Sohn von Philippe Vandenberg) und Neel Cockx zu sehen. Dauer ca. 18 min.
Die Ausstellung wird anschließend im Pasquart Kunsthaus in Biel (Schweiz) gezeigt.
Gefördert von: Deutsche Bank AG, Flanders State of the Art und Behörde für Kultur und Medien der Freien und Hansestadt Hamburg