Anlässlich seines 200. Todesjahres widmet die Hamburger Kunsthalle Philipp Otto Runge (1777-1810) die erste umfassende Retrospektive seit über 30 Jahren. Der aus Wolgast stammende und später in Kopenhagen, Dresden sowie Hamburg lebende Runge, gilt als einer der vielseitigsten Künstler des 19. Jahrhunderts. Er ist neben Caspar David Friedrich der maßgebliche Begründer der Romantik. Die Ausstellung Kosmos Runge würdigt das jung verstorbene Genie und dessen visionären Kunstentwurf.
Mit seiner berühmten arabesken Graphikfolge der Zeiten (1805/1807) sowie den Gemälden Der Kleine und Der Große Morgen (1808/1809) gelang es Runge, für das zyklische Naturverständnis der Romantik kongeniale Ausdrucksformen zu finden. Seine Farbenlehre wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein immer wieder mitreflektiert und auch in der Gattung des Porträts leistete Runge Bedeutendes. So stellt die Werkgruppe der Selbstbildnisse ein eindringliches Zeugnis seiner Selbstbefragung dar. Mit seinen Kinderdarstellungen, insbesondere dem Gemälde der Hülsenbeckschen Kinder (1805), begründete Runge einen neuen Blick auf das kindliche Individuum in der Kunst. Neuland betrat er schließlich auch mit seiner Idee eines Gesamtkunstwerks. So war Runge von der Idee beseelt, die Künste von Dichtung, Malerei und Musik in einem architektonischen Raumzusammenhang zu vereinen. Mit diesem Streben nach einer Erneuerung der Kunst fungierte er zu seiner Zeit für viele Künstler als Identifikationsfigur. Runges Vielseitigkeit dokumentieren in der Ausstellung darüber hinaus seine fragilen Scherenschnitte – Meisterwerke in Naturgenauigkeit und Abstraktion.
Eine wesentliche Facette der Ausstellung bildet neben dem künstlerischen Werkprozess zugleich das Ringen des Visionärs um die endgültige Umsetzung seiner Ideen. Von der ersten Skizze bis zum fertigen Gemälde bekommt der Besucher den Eindruck, Runge bei der Arbeit über die Schulter blicken zu können. Der Schaffensprozess erweist sich dabei als Schlüssel zu Runges Bild- und Kunstverständnis. Neue Erkenntnisse über Runges Arbeitsweise verspricht ein von der Philipp Otto Runge Stiftung gefördertes Projekt, das der maltechnischen Untersuchung seiner Gemälde gewidmet ist. Im Zuge dessen wurden einige Hauptwerke Runges erstmalig gründlich analysiert. Die Ergebnisse werden ebenfalls in der Ausstellung dokumentiert.
Der bedeutende Teil des Rungeschen Œuvres zählt zu den Beständen der Hamburger Kunsthalle. Durch die Einbeziehung von Leihgaben aus internationalen Museen und privaten Sammlungen wird es nun möglich, das ganze Panorama seines Schaffens zu zeigen: Kosmos Runge vereint 35 Gemälde, über 200 Zeichnungen sowie 50 Scherenschnitte und Schattenrisse. Darunter sind einige Zeichnungen, die bisher als verschollen galten bzw. unbekannt waren.