Mit den Holzschnitten zeigt die Kunsthalle nach den Radierzyklen nun zum ersten Mal im Janssen-Kabinett das Frühwerk des Künstlers. Schwerpunkt der Ausstellung sind die großformatigen Farbholzschnitte, die Horst Janssen (1929-1995) in den Jahren 1957 bis 1961 schuf. Die Beschäftigung mit dem Medium Holzschnitt begann jedoch bereits 1950/51 im Anschluß an die Ausbildung bei Alfred Mahlau an der Landeskunstschule in Hamburg. Beeinflußt von den druckgraphischen Arbeiten Willem Grimms (1904-1986), der von 1945-1969 an der Kunsthochschule unterrichtete, sind diese Blätter an den expressionistischen Holzschnitten Erich Heckeis, Karl Schmidt-Rotluffs und besonders Ernst Ludwig Kirchners orientiert. Dies wird nicht nur in der stilistischen Annährung, sondern auch bei den Motiven wie »Variete-Szene«, »Mädchen mit Männern« oder »Paar vor den Menschen II« deutlich. Gerade mit dem letzten Titel erinnert Janssen an Kirchners Holzschnitt »Vor den Menschen« (1902), besonders aber an sein Gemälde »Paar vor den Menschen« von 1923, das 1948 von der Hamburger Kunsthalle erworben wurde. So sind diese Arbeiten sicher auch eine Reaktion auf Ausstellung und Katalog einer Kirchner Retrospektive, bei der 1950 im Hamburger Kunstverein zum ersten Mal nach dem Krieg Werke aus dem Nachlass des Künstlers in Deutschland gezeigt wurden.
Deutlich wird Janssens Arbeitsweise am Beispiel des in der Vitrine ausgestellten Holzstockes des »Großen Krebs« von 1957, bei dem sowohl die Vorder- wie die Rückseite als Druckplatte dienten. 1957 nur in wenigen Exemplaren erschienen, stellte Hartmut Frielinghaus 1987 von diesem Holzstock Neudrucke her, die Janssen durch seine Signatur autorisierte. Anders verhält es sich bei der Darstellung »Der Morgen«, die Janssen 1957 schnitt, jedoch nie ausdruckte und die nun in der Ausstellung als »Erstdruck« von 1987 hängt. Die in den Jahren 1957-61 entstandenen Holzschnitte waren für eine Auflage von 25 Exemplaren angelegt, wobei Janssen auf Bestellung einzelne Blätter in Farbvarianten druckte. Jeder Holzschnitt ist deshalb ein Unikat.
Der Holzschnitt »Großer Dampfer« entstand bereits im Winter 1956 und wurde noch im selben Jahr von der Kunsthalle als erstes Werk von Horst Janssen erworben. Im Januar 1957 zeigte Janssen seine Farbholzschnitte in einem Ausstellungsraum seiner Wohnung in der Warburgstraße in Hamburg, im Mai desselben Jahres folgte eine Ausstellung in der »Galerie für moderne Kunst« in Hannover, der heutigen Galerie Brockstedt in Hamburg. Obwohl Janssen sich nach 1961 fast ausschließlich der Radierung zuwandte, waren es diese frühen Holzschnitte, die seinen Ruf als Graphiker begründeten.