Die zeitgenössische Kunst ist in ständiger Bewegung, und so muss es auch ihre Präsentation sein. Dieses Bekenntnis zu einem Museum im Wandel gilt für uns seit der Eröffnung der Galerie der Gegenwart. Die neue Reihe gegenwärtig soll dabei ein flexibles Instrument sein, um neue Künstler, neue Werke, neue Räume in der Galerie der Gegenwart zu zeigen.
gegenwärtig stellt individuelle Positionen vor, wie zunächst die von Pia Stadtbäumer, Max Mohr und Piotr Nathan: drei Künstler, die an den Fragen von Körperlichkeit und Identität arbeiten.
Max Mohr schöpft rätselhafte Wesen aus vertrauten Materialien: künstlich gezüchtete Gewächse, die sich nicht entscheiden können, ob sie als Skulptur, Einrichtungsgegenstand oder Bekleidungsstück ihre Bestimmung finden sollen. Die ambivalenten Formen, aus zartem Dessousmaterial, Kurzwaren und orthopädischem Kunststoff zusammengesetzt, wirken organisch und künstlich zugleich. Sie verführen durch ihren sanften Glanz und ihre schmeichlerische Körperhaftigkeit und erschrecken zugleich durch ihre Nähe zum Verstümmelten und Prothetischen.
Max und Clara heißen die Figuren einer Werkgruppe, die Pia Stadtbäumer erfand. Die Prototypen modellierte sie 1998/99 nach photographischen Vorlagen in Ton und nahm von diesen Modellen Negativformen aus Gips ab. In Teilformen mit Wachs oder Zellan (ein gipsähnlicher Kunststoff) ausgegossen wurden sie wieder zur Gesamtfigur zusammengesetzt, aufwendig retuschiert und bemalt. Max und Claras kindlicher Nacktheit sind Requisiten und Kleidungsstücke hinzugefügt, die als aggressive und erotische Signale gelesen werden können und die so gar nicht zu ihrer »Unschuld« passen wollen.
Auch Piotr Nathan setzt sich in seiner künstlerischen Arbeit mit Fragen der Identität und Sexualität auseinander; er versorgt uns jedoch nicht mit noch mehr Details, sondern er verschlüsselt und verschleiert. Für die Präsentation gegenwärtig: körpernah entwarf er eine großformatige Wandinstallation, die in einer neu entwickelten Technik zeichnerische Elemente mit reliefhafter Struktur verbindet. Aus Hunderten von Einzelzeichnungen, die Nathan nach Photographien aus kommerziell erhältlichen erotischen Magazinen zeichnete, dann vergrößerte, übereinander kopierte und in PVC-Hartschaumplatten eingravierte, entstand ein All-Over – eine Körper-Landschaft.
gegenwärtig soll von nun an drei bis vier Mal im Jahr stattfinden. Sie wird aktuelle Arbeiten zeigen, aber auch ein Forum bieten, um Wiederentdecktes aus dem Depot zu präsentieren. Darüber hinaus werden Ankäufe, Schenkungen und Leihgaben den Horizont der Galerie der Gegenwart erweitern.
Pia Stadtbäumer (*1959) ist Professorin an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg, Piotr Nathan (*1956), den Hamburgern nicht zuletzt durch seine große Wandzeichnung der Verfluchte Garten imTreppenhaus der Hamburger Kunsthalle bekannt, lebt in Berlin, Max Mohr (*1962) lebt in Köln und lehrte an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach.