Der Norweger Edvard Munch (1863–1944) zählt zu den wichtigsten Wegbereitern der Moderne. Seine vom Symbolismus geprägte Kunst um 1900 ist eine der Quellen, die den Expressionismus der »Brücke«-Künstler in Deutschland möglich gemacht haben.
Munch hatte seine Schlüsselwerke wie die symbolistische Madonna oder den Schrei bereits geschaffen, als er 1894 die Druckgraphik für sich entdeckte. Binnen kürzester Zeit experimentierte er mit den neuen Materialien und Bildträgern, um durch variierende Form- und Farbgestaltungen neue Ausdrucksmöglichkeiten zu erhalten. Mit demselben Motiv konnte er auf diese Weise vollkommen unterschiedliche Stimmungen erzeugen. Es sind die Inhalte seiner malerischen Hauptwerke, die er zunächst in die Graphik übertrug – Bilder, die das moderne Seelenleben zum Thema haben: Mann und Frau, Angst, Melancholie und Tod.
Schon früh wurde Munchs Werk in Hamburg von privaten Sammlern entdeckt. So entstanden umfangreiche Bestände, vor allem durch den Landgerichtsdirektor Gustav Schiefler, der im Dezember 1904 beschloss, das Werkverzeichnis der Druckgraphik zu bearbeiteten und herauszugeben. Auch der Kaufmann Heinrich C. Hudtwalcker trug noch in den Zwanziger Jahren eine umfangreiche Sammlung zusammen. In der Kunsthalle war Munchs Werk vor der Aktion »Entartete Kunst« von 1937 mit zwei Gemälden und einer großen Anzahl druckgraphischer Blätter vertreten. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelang es Carl-Georg Heise, Direktor der Hamburger Kunsthalle von 1945 bis 1955, eine Munch-Sammlung für das Museum aufzubauen, die zu den bedeutendsten außerhalb Norwegens zählt. Schlüsselwerke, wie die Madonna (Liebende Frau) von 1894, die Mädchen auf der Brücke aus der Zeit um 1900 oder die Mädchen am Meer von 1903/04 zeugen von der hohen Qualität der Hamburger Sammlung.
Das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle hütet zudem einen Schatz von 190 Graphiken, die alle wichtigen Werkphasen des Künstlers umspannen. Diese außerordentlich große Sammlung an Munch-Blättern kann wegen ihrer Lichtempfindlichkeit nur selten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden und steht nun im Mittelpunkt der Ausstellung. Ergänzt werden die Bestände der Kunsthalle durch weitere Gemälde sowie herausragende Beispiele der Druckgraphik aus Privatsammlungen und anderen Museen.