Mit dem zwölfjährigen Jesus im Tempel (1879) von Max Liebermann (1847-1935) besitzt die Hamburger Kunsthalle eines seiner wenigen und zugleich frühesten religiösen Werke. Als das Gemälde 1879 auf der Internationalen Kunstausstellung in München zu sehen war, löste es einen Skandal aus. Mit diesem Gemälde, so die damalige Kritik, hätte sich der jüdische Maler an dem christlichen Thema des zwölfjährigen Jesus im Tempel vergangen: den Heiland hätte er als jüdischen Lausebengel charakterisiert, barfuß und mit fleckigem Hemd, und ihn somit in den Schmutz gezogen. Liebermanns Bemühen um eine wirklichkeitsnahe Darstellungsweise wurde dabei von den auch antisemitisch gefärbten Vorwürfen ignoriert. Die Empörung, die das Gemälde hervorrief, traf Liebermann so sehr, dass er den Jesusknaben übermalte. Bis heute hat das Gemälde nichts von seiner Bedeutung verloren und ist mit seinem Thema, das an die Wurzeln des Judentums wie des Christentums rührt, höchst aktuell. Neben dem Gemälde, Skizzen und Studien Liebermanns sind Werke desselben ikonographischen Themas zu sehen: z.B. Druckgraphiken von Dürer und Rembrandt, ein Gemälde von Heinrich Hofmann und ein Pastell von Adolph Menzel. Neben dem Skandal wird auch die Geschichte des Gemäldes Thema sein: 1911 von Lichtwark erworben, 1941 aus politischen Gründen verkauft, 1989 für die Kunsthalle zurückerworben.