In den letzten Jahren ist der Scherenschnitt in der zeitgenössischen Kunst wieder höchst aktuell geworden. Interessant ist, wie unterschiedlich die Künstler formal und inhaltlich mit dem Medium des „Cut Out“ umgehen: Viele experimentieren mit ungewohnten Techniken und Materialien und erobern dabei den dreidimensionalen Raum. Von der rein flächigen Darstellung emanzipieren sie den Scherenschnitt zum räumlichen oder skulpturalen Objekt. Cut. Scherenschnitte 1970-2010 ist die erste Ausstellung der Kunsthalle, die sich ausschließlich dem zeitgenössischen Scherenschnitt widmet.
Vorbild für die Arbeiten vieler junger Künstler sind die Scherenschnitte von Philipp Otto Runge (1777-1810). Inspiriert von seinen Ideen, die durch Vereinfachung und Abstraktion technisch perfekter Scherenschnitte der Imagination des Betrachters neuen Raum gaben, hat der Cut out sich zu einem eigenständigen künstlerischen Medium entwickelt. So thematisiert Olaf Nicolai (*1962) in Anlehnung an Runge die Spannung von Natur und Konstruktion in seinen ornamentalen Entwürfen. Die Umrissformen von Felix Droese (*1950) und Kara Walker (*1967) sind nur scheinbar romantisch idyllisch – bei genauer Betrachtung entpuppen sie sich als Bilder von Gewalt und politischer Aggression und unterwandern so bewusst die Erwartungen des Betrachters an einen traditionellen Scherenschnitt. Walkers Raum füllende Wandprojektionen sind voller allegorischer Szenerien, die den amerikanischen Rassismus attackieren. William Kentridge (*1955) erforscht in seinen Arbeiten, wie unser Geist figürliche Bilder auf schattenhafte Umrisse projiziert. Charlotte McGowan Griffins (*1975) großformatige Scherenschnitte vereinen auf ironische Weise die märchenhaften Aspekte des Scherenschnitts und die surreale Welt des Obskuren.
Die Ausstellung findet parallel zur großen Philipp Otto Runge-Retrospektive Kosmos Runge in der Hamburger Kunsthalle statt. Cut konzentriert sich bewusst auf junge Künstler, die sich im Austausch mit Literatur und Theater dem Medium Scherenschnitt auf neue Weise nähern. Viele der Künstler werden eigens für die Ausstellung vor Ort neue Werke schaffen. Gezeigt werden ca. 50 Arbeiten aus den Jahren 1970-2010.
Die 170 Werke umfassende Arbeit „Erzählungen am Boden“, 1999-2008, von Martin Assig (*1959) wird im Rahmen der Ausstellung Cut. Scherenschnitte 1970-2010 noch bis zum 27. Februar 2011 im Saal der Meisterzeichnung präsentiert.