Mit seinen audiovisuellen Installationen gehört der Berliner Künstler Carsten Nicolai (* 1965 in Chemnitz) zu den interessantesten Positionen in der zeitgenössischen Kunst. In seinen Werken befasst sich Nicolai mit der Visualisierung oder Vertonung scheinbar nicht wahrnehmbarer Bereiche in Kunst, Musik und Wissenschaft. Dabei wirken seine Werke oft wie experimentelle Versuchsanordnungen, deren ästhetische Ausdruckskraft jedoch im Mittelpunkt steht. So zeigte die gerade in Berlin präsentierte Ausstellung »Tired Light« irisierend leuchtende Bilder zum Phänomen der »Lichtermüdung«, wobei Nicolai zugleich unsere Faszination für die Farben des Lichts hinterfragt. Neben seinen Arbeiten mit Videos, Klängen und Bildern macht Nicolai zudem seit vielen Jahren elektronische Musik unter dem Pseudonym alva noto. In der Galerie der Gegenwart zeigen wir nun erstmals einige der großen Installationen des Künstlers, wie »magnetic« (2003) sowie »anti« und »reflex« (2004), in denen er akustische und bildliche Illusionen kombiniert.
In seinen Arbeiten wird das Prinzip der Polarität erkennbar: Sichtbares und Unsichtbares, Licht und Dunkel, Positiv und Negativ, wissenschaftliche Labormethoden und metaphysische Weltinterpretationen. Im Sockelgeschoss der Galerie der Gegenwart werden nun zwei aufeinander folgende Räume gegenübergestellt: »reflex« und »anti«. Der eine Raum ist hell, der andere nahezu dunkel. Zentrales Element des »reflex«-Raums ist eine gleichnamige kuboide Skulptur. Sie besteht aus einer zwölfeckigen, 3 m hohen Box, die an einer Seite offen ist und den Besucher einlädt, den Innenraum zu betreten, wo aus zehn Lautsprechern mit hoher Geschwindigkeit Ton von Hochfrequenz-Weißem-Rauschen zirkuliert und die akustische Illusion erzeugt, dass in den Wänden der Box ein weiteres, dreidimensionales Objekt verborgen ist.
Der zu »reflex« korrespondierende Raum »anti« enthält ebenfalls eine Skulptur - ein gleichförmiges schwarzes Pendant, das im Gegensatz zur Ersteren nicht betreten werden kann. Über eingebaute Theremin Module und Klangmodule gibt »anti« tiefe Frequenzen von sich, die nicht gehört, sondern nur gespürt und vom Besucher durch Berührung verändert werden können. Formal bezieht sich die Skulptur auf eine geometrische Form aus Albrecht Dürers Stich »Melancholia I« und greift somit neoplatonische mathematische und geometrische Konzepte der Renaissance auf, die sie mit der zeitgenössischen Diskussion über akustische Dimensionen der Architektur verbindet.
Hinzu kommen mit den Werken telefunken (2000 / 2005), magnetic static (2003) und portrait ombre (2006) drei Wandbilder, in denen Nicolai mit akustischen Signalen und Magnetbändern, in eine minimalistische Bildoberfläche integriert, die Grenzen zwischen den Bereichen des Auditiven und Visuellen auflöst.