Atmen

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Die groß angelegte Themenausstellung ATMEN beschäftigt sich mit den unterschiedlichen Facetten des Atmens und seiner Darstellung in der Kunst der Alten Meister und der Gegenwart. Mehr als 100 Werke werden miteinander in spannungsreiche, teils epochenübergreifende Dialoge gebracht. So entsteht ein unkonventioneller Austausch über ein existentielles Thema, das zunächst wie ein unbewusster, biologischer Vorgang anmutet, aber vielfältige soziale und politische Dimensionen bereithält.

Schon in der Antike ist der Atem mehr als nur Luft, die in und aus dem Körper strömt. Er ist Vehikel des Lebens, des Denkens, der Inspiration und in vielen Weltkulturen auch der Seele. In der jüdisch-christlichen Tradition gilt das Einhauchen des Atmens als zentraler Moment des göttlichen Schöpfungsaktes. Atmen bedeutet Leben, während sein Verlust gleichbedeutend ist mit dem Tod. Trotzdem wird unsere Atmung im Alltag oft als Selbstverständlichkeit wahrgenommen, die erst dann in den Blick gerät, wenn sie schwindet – durch Krankheiten, Klimawandel, Pandemien oder körperliche Gewalt. So sind beispielsweise die letzten Worte von George Floyd 2020 »I can’t breathe« geradezu zu einem Synonym rassistischer und institutioneller Gewalt geworden.

Weit davon entfernt ein neutraler physiologischer Prozess zu sein, trifft Atmen immer eine – mehr oder weniger offensichtliche – gesellschaftspolitische Aussage. Die Versorgung mit Luft macht auf ganz unterschiedlichen Ebenen Mechanismen von sozialen und politischen Ein- und Ausschlüssen deutlich, auch und besonders in der Zeit einer globalen Pandemie, in der der Zugang zu Sauerstoff lebenswichtig geworden ist. Zugleich machen wir die Erfahrung eines krankheitsauslösenden und unter Umständen todbringenden Potentials von Aerosolen. Der eigene Atem und der unserer Mitmenschen ist zu einer Gefahr geworden, welche dem eigentlich lebenserhaltenden Prinzip des Atmens konträr entgegensteht und unser Verhältnis zur Welt und zueinander radikal in Frage stellt.

Die Ausstellung lädt ein, sich dem facettenreichen Thema auf vielfältige Weise anzunähern und sowohl historische Analogien als auch zeitgeschichtliche Besonderheiten im künstlerischen Umgang mit dem Atmen auszumachen. Rund 45 künstlerische Positionen aus 18 Ländern widmen sich dem Atmen in seiner anhaltenden Bedeutsamkeit und erkunden dessen aktuelle Brisanz. Die interdisziplinäre Bandbreite der präsentierten künstlerischen Medien reicht von Malerei, Skulptur und Installation über Fotografie und Zeichnung bis hin zu Performance, Video, Film und Sound Pieces. Die Ausstellung umfasst herausragende Leihgaben aus öffentlichen und privaten Sammlungen, darunter u. a. Gemälde von Hendrick ter Brugghen, David Teniers d. J. oder Oscar Muñoz. Daneben wurden internationale Künstler*innen eingeladen, speziell für die Ausstellung Werke zu schaffen (Alice Channer, Andreas Greiner, Joachim Koester u. a.). Manche Arbeiten werden für die Schau modifiziert (Forensic Architecture, Kasia Fudakowski, Teresa Margolles, Nina Canell). Die ungewöhnlich große Ausstellungsfläche erstreckt sich durch mehrere Gebäudeteile der Hamburger Kunsthalle und reicht mit einer einmaligen großen Lichtprojektion von Jenny Holzer hinaus in ihre Außenbereiche. Die Schau ist nach BESSER SCHEITERN (2013), WARTEN (2017) und TRAUERN (2020) ein weiterer Höhepunkt in einer Serie von gesellschaftlich relevanten Themenausstellungen an der Hamburger Kunsthalle.