Das Relief ist eine Mischform: Zwischen Malerei und Skulptur angesiedelt ist es zwar an die Wandfläche gebunden, ragt aber oft weit in den Raum hinein. Gerade seine Unbestimmtheit ließ dieses Medium zu einem wichtigen Feld für Experimente und Innovation werden. In ihm konnten sich Kunstschaffende über Gattungsgrenzen hinwegsetzen und eigenständige Positionen beziehen.
Ort
Hubertus-Wald-Forum und Galerie Klassische Moderne
Kuratorin
Dr. Karin Schick
Wissenschaftliche Asstienz
Juliane Au
Mit rund 130 Exponaten – Reliefs, Skulpturen, Plastiken und Gemälden – von über 100 Künstler*innen aus Europa und den USA nimmt die Ausstellung die Ausprägungen des Reliefs von 1800 bis in die 1960er-Jahre in den Blick. In dieser Zeit gewann das Medium zunehmend an Bedeutung: Orientierten sich Bildhauer wie Berthel Thorvaldsen im Klassizismus an wiederentdeckten Bildwerken der Antike, sprengten im 19. Jahrhundert Künstler wie Auguste Rodin und Medardo Rosso bewusst den Rahmen der Bildhauerei; Maler-Bildhauer wie Edgar Degas, Paul Gauguin, Pablo Picasso, Henri Matisse oder Alexander Archipenko befragten im Relief den Umgang mit Form und Farbe neu. Im 20. Jahrhundert beflügelten neue Techniken den Wandel, so entwickelten Dadaisten wie Kurt Schwitters oder Hans Arp Relief-Collagen aus alltäglichen Materialien. Sie und Künstler*innen der russischen Avantgarde, des Bauhauses oder der konstruktiv-konkreten Kunst – darunter Willi Baumeister, Erich Buchholz, Naum Gabo, Lou Loeber, Iwan Puni, Oskar Schlemmer und Sophie Taeuber-Arp – zielten mit ihren Werken auch auf das Gestalten einer neuen Welt und Gesellschaft. Seit den 1950er Jahren erkundeten Künstler wie Jan Schoonhoven, Piero Manzoni oder Karl Hartung die Werkoberfläche als Struktur und eroberten Künstlerinnen wie Louise Nevelson oder Lee Bontecou ihren Platz in der Kunstgeschichte mit raumgreifenden Materialobjekten.
Die Schau ist in zwölf thematische Kapitel gegliedert. Damit treten Künstler*innen der verschiedenen Epochen in einen lebendigen Dialog zu ausgewählten Aspekten des Reliefs, beispielsweise: Erzählungen, Malerisch/Plastisch, Relief in Farbe, Blick und Bewegung sowie Raum und Umraum.
Die letzte Ausstellung zur Gattung Relief fand vor über 40 Jahren statt. Seither hat sich unsere Wirklichkeit gewandelt und wird heute meist über die Flächen von Bildschirmen wahrgenommen. Zugleich wächst das Bedürfnis zu berühren und zu begreifen, dem das Relief in seiner Offenheit entgegenkommt. Aktualität erfährt das Medium derzeit auch wegen seiner Existenz im Dazwischen: Als Hybrid bietet es neue Möglichkeiten des Erlebens und Verstehens von Welt.
Die medien- und epochenübergreifende Ausstellung entstand in enger Kooperation mit dem Städel Museum, Frankfurt am Main (23. Mai 2023 bis 17. September 2023).
Zu den hochrangigen Leihgebern zählen u.a.: Kunstmuseum Basel; Alte Nationalgalerie, Berlin; Kunstmuseum Den Haag; Museum Folkwang, Essen; Ny Carlsberg Glyptotek, Kopenhagen; Musée des Beaux-Arts, Lyon; Centre Pompidou, Paris; Musée d‘Art Moderne de Paris; Musée d‘Orsay, Paris; Musée Rodin, Paris; Museum Boijmans van Beuningen, Rotterdam.
Im Prestel Verlag, München, ist ein umfangreicher Katalog mit 288 Seiten, 300 farbigen Abbildungen und wissenschaftlichen Texten (deutsche und englische Ausgabe) erschienen.