Was ist Zeit und wie kann diese künstlerisch dargestellt und vermessen werden? Und wie kann Zukunft gedacht werden? Ausgangspunkt dieser ungewöhnlichen Ausstellung ist ein Kunstwerk: Die »Tropfsteinmaschine« von Bogomir Ecker (1996-2496). Angelegt auf eine Laufzeit von unvorstellbaren 500 Jahren durchzieht sie die gesamte Galerie der Gegenwart vom Dach bis zum Sockelgeschoss. Wenn alles ungestört verläuft, wird die Maschine über diesen Zeitraum ca. 5 cm große Stalagmiten und Stalaktiten gebildet haben. Das klingt wenig spektakulär, und doch beginnt eine spannende gedankliche Reise in die Zukunft, während wir gebannt auf das Fallen des nächsten Tropfens warten. Wie wird die Zukunft wohl aussehen, wie wollen wir sie gestalten? Und was vermag die Kunst in diesem Zusammenhang? Kann sie zu einem Diskurs über Wahrnehmung, Vorstellung und Zukunftsfragen substantiell beitragen?
Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der »Tropfsteinmaschine« und der Galerie der Gegenwart stellen sich ca. 30 internationale Künstler*innen den grundlegenden Fragen rund um Zeitlichkeit, Nachhaltigkeit und Visionen. Auf dem gesamten, von allen Trennwänden befreiten 1. Obergeschoss mit offenem Blick in den Stadtraum kommen Kunstwerke, Artefakte und Naturalien zusammen. Vieles ist neu und speziell für die Ausstellung entstanden, anderes tritt in einen überraschenden Dialog über die Jahrhunderte und die Disziplinen hinweg. So trifft eine Zeichnung von Caspar David Friedrich aus dem Jahr 1826 auf eine zeitgenössische Fotografie von Pierre Huyghe, Katinka Bocks speziell für die Ausstellung geschaffene Keramik-Installation mit dem Titel »Trostpfützen« begegnet Courbets »Die Grotte der Loue« (1864), und geologische Meteoriten finden sich wieder in Nachbarschaft einer raumgreifenden Installation der jungen Hamburger Künstlerin Elena Greta Falcini.
Bogomir Ecker entwickelt Kombinations- und Gestaltungsformen einer Ausstellung. Es entsteht ein assoziatives und experimentelles Gefüge, das darüber hinaus in einem von Ecker konstruierten riesigen Tableau von Bildzitaten und Archiven weitergeführt wird. Recyceltes Museumsinventar ist das Ausgangsmaterial für seine künstlerisch gestaltete Plattform. Dieses Spielfeld hat Modellcharakter: Wie in einer Versuchsanordnung werden Erscheinungsformen von Materie, Veränderungen und Transformationsprozesse sichtbar. Ausformungen und Ablagerungen des Zeitlichen, ihrer möglichen Dehnung und Verdichtung zwischen Moment und Dauer sind hierbei wiederkehrende Motive. Unser technisiertes Leben ist von unvorstellbarer Schnelligkeit und Kurzlebigkeit geprägt. Umso dringlicher erscheint es uns, eine Form des »long-term thinking« durch und mit der Kunst zu erproben. Was kann die Kunst als ästhetische Kategorie und Erfahrung zu einer »Zukunft als Denkform« beitragen?