Neben seinem epochalen malerischen Werk widmete sich der französische Künstler Edouard Manet (1832-1883) immer wieder erfolgreich der Druckgraphik. Seine mehr als 60 Radierungen, die bis auf eine Ausnahme alle vor 1871 entstanden, hatten für ihn besondere Bedeutung und den gleichen Stellenwert wie seine Gemälde. Auch wenn sie sich häufig auf diese beziehen, sind sie keine bloße Nachahmung der Malerei. Sahen noch die Künstler der Generation zuvor die Radierung als reine Reproduktionsgraphik an, war Edouard Manet Teil der Bewegung, die ab 1850 diese Technik wiederentdeckte und zu neuer künstlerischen Blüte führte. Im Zentrum dieser Renaissance der Radierung stand die 1862 gegründete Künstlervereinigung Société des Aquafortistes.
Manet war selbst Sammler alter Graphik und stand seit 1859 in Kontakt mit Künstlern der späteren Société des Aquafortistes. Um die Mitte des Jahrhunderts erscheinende Publikationen zu Rembrandt, Goya, Callot und den Radierungen Tiepolos beflügelten ihn in der Beschäftigung mit diesem Medium. Manet pflegte einen relativ einfachen Linienstil, ähnlich dem der in diesen Jahren äußerst populären Karikaturen. Die Populärgraphik dieser Jahre wurde von Kritikern wie Charles Baudelaire sehr hoch geschätzt und als modern empfohlen. Eines der Blätter, das Manet für die Société des Acquafortistes schuf, war das Ganzfigurenbildnis der Lola de Valence. Das Motiv war in dreierlei Hinsicht als »modern« zu bezeichnen, ein aktueller Begriff, der alle Künstler dieser Zeit beschäftigte: Die dargestellte Tänzerin Lola aus Valencia war Spanierin, ihre Kleidung bediente so den aufkommenden spanischen Exotismus. Ihr Tanz und ihre Person wurden von Baudelaire gerühmt, so dass die Anbindung der Radierung an die zeitgenössische Literatur ebenfalls gegeben war. Die Formensprache der Radierung war rau, wurde teilweise gar als »brutal« bezeichnet und setzte sich bewusst gegen die Salonmalerei mit ihren bunten Farben und ihren weichen Linien ab.
In anderen Fällen nutzte Manet die moderne, aber im täglichen Leben doch immer selbstverständlicher werdende Photographie als direkte Vorlage für seine Radierungen, um ihnen eine erhöhte Authentizität zu geben. Oft photographierte Manet seine eigenen malerischen Werke und nutzte diese Photos als Arbeitsmaterial für weitere Werke.
Der Großteil des graphischen Œuvres erschien erst postum. So auch die Auflage aus der Sammlung Hegewisch, die nun in der Ausstellung Edouard Manet. Radierungen gezeigt wird. Zu sehen sind 30 Werke, die aus einer Ausgabe von 1905 stammen. Neben den Bildnissen von Edgar Allan Poe, Charles Baudelaire und Berthe Morisot sind populäre Motive wie Der spanische Sänger, Die Zigeuner, Der tote Torero und die Radierung nach Manets berühmtem Gemälde der Olympia zu sehen.